Philosophie
Die Philosophie in der chinesischen Kampfkunst
Viele Interessierte kommen zu uns mit romantischen Vorstellungen und wollen nicht wirklich erfahren, was Kampfkunst ist.
Die Philosophie im Kung-Fu ist sehr praktisch und auf das Hier und Jetzt bezogen. Was zählt, is „Kung-Fu“, die gut gemachte Arbeit. Man fängt mit den einfachen Dingen an: mit richtigem Stehen, Bewegen, Gehen, Sehen, Atmen. Man lernt nicht nur durch Fragen oder Lesen, sondern man erfährt vor allem durch Tun, durch sich-Mühe-geben. Dies ist die Philosophie des Kung-Fu und die Aufgabe der SiuNimTao. Der Schüler soll jede Bewegung dieser WT-Form so gut wie möglich ausführen, er soll die Bewegung denken, soll selbst zu der Bewegung werden.
Drei Lehren, eine Familie
Konfuzianismus, Taoismus und Buddhismus, drei teilweise widersprüchliche Philosophien gaben dem WT den geistigen Hintergrund: Konfuzianismus steht für das wechselseitige Treue- und Respektverhältnis von Schüler und Lehrer sowie für die Unterrichtsweise; Taoismus für das kluge Nachgeben, für die Harmonie zwischen Gegensätzen; Buddhismus für unermüdliches, konzentriertes Üben und die Einstellung im Kampf. Der Taoismus beeinflusste die Techniken des WT in hohem Maße. Beim WingTsun geht es nicht um akademisches Wissen, sondern um intuitives Erfahren, um Können. Deshalb ist es oft nötig, den Schüler, der durch Bücherwissen zu kopflastig wurde, aus den Wolken zu holen.
Wissen ist im WT nicht Macht. Nur Können hilft uns, eine gefährliche Situation zu meistern. Die Lösung der wirklichen Probleme kann der Verstand alleine nicht finden.
Der Chan-Buddhismus
Der Buddhismus ist in Indien entstanden. Siddharta Buddha wurde ca. 500 v. Chr. in Nepal geboren und lehrte, dass Leben Leiden ist, alles zeitlich ist, alles vergeht, aufhört zu bestehen. Das einzig Sichere ist der Tod. Dies klingt alles sehr negativ und könnte am Leben verzweifeln lassen, hätte Buddha nicht noch drei Wahrheiten verkündet:
- Leiden entsteht durch Begierde, die Begierde zu haben und die Begierde zu sein;
- und zwar kann die Begierde überwunden werden;
- sie kann überwunden werden, indem man den Achtfachen Pfad geht:
Richtiges Verständnis
Richtiger Vorsatz (diesen Weg gehen zu wollen)
Richtiges Sprechen (freundlich sein zu den Menschen)
Richtiges Handeln (alles so gut wie möglich tun)
Richtige Lebensweise (z.B. einem anständigen Beruf nachgehen)
Richtiges Bemühen (die Energie aufbringen, nicht aufgeben)
Richtiges Bewusstsein (seine Lage erkennen)
Richtige Meditation
Um Befreiung zu finden, muss man sich von der Welt des Scheins lossagen. Der Buddhismus kennt viele verschiedene Schulen. Für die chinesische Kampfkunst ist vor allem der Chan-Buddhismus von unmittelbarer Bedeutung.
Ca. 520 n. Chr. brachte Boddhidharma den Buddhismus nach China. Die Chan-Schule lehnt jedes rationale Denken ab und findet die höchste Wahrheit und den Sinn des Daseins in der Meditation. Der Mensch muss seine Mitte finden. Durch paradoxe Antworten und Fragen versucht der Lehrer, den Schüler zu der Einsicht zu bringen, dass logisches Denken in diesem Fall hinderlich ist. Rationales Denken steht im WT auch dem Erlernen des ChiSao entgegen.
Der Einfluss des Buddhismus auf Kung-Fu ist vielerorts spürbar. Das Training selbst ist Leiden, der Schüler muss geduldig unter Schmerzen tiefe Stellungen halten, er muss seinen Körper abhärten. Beim Unterricht muss er das kleinste Detail einer Bewegung beachten. Der Schüler lernt eine Bewegung nach der anderen. So soll er sich z.B. im WingTsun beim Üben der SiuNimTao (eine Meditation im Stand) jeweils nur eine „kleine Idee“ machen, d.h. sich stets völlig auf die kleine Bewegung konzentrieren, die er gerade ausführt. Er soll noch nicht an die darauffolgende Bewegung oder gar an die praktische Bedeutung der gerade geübten Technik denken. Gerade die SiuNimTao ist stark buddhistisch beeinflusst, was man ja allein durch die „dreifache Verehrung Buddhas“ (WuSao) im dritten Satz des SNT erkennt.
Außerdem soll der Buddhismus dem Schüler auch die richtige Einstellung (kein Gedanke an Sieg oder Niederlage) zum Kampf geben.
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Der Taoismus
Der Ursprung des Taoismus ist etwa 300 Jahre vor Christus zu vermuten. Der chinesische Weise LaoTse benutzte in seiner Gedichtsammlung (Tao Te King) den Begriff Tao (Weg) zum ersten Mal. Es geht um einen Lebensweg, den man wirklich gehen muss, um ihn zu erfahren. Von anderen (z.B. Lehrern) gegangene Pfade, fixierte schriftliche Lehren führen zu keinem Erfolg. Allein persönlicher Unterricht bringt die Erkenntnis.
Im Einklang mit der Natur soll der Mensch leben und sich selbst als Teil dieser Natur verstehen (Mensch = Mikrokosmos, Natur = Makrokosmos).
LaoTse sagte, es sei falsch, Kraft mit Kraft zu begegnen. Ist die gegnerische Kraft größer (als die eigene), sei es besser, erst einmal nachzugeben, um dem Gegner die Balance zu rauben und dessen überlegene Kraft gegen ihn selbst anzuwenden.
Die Kampfprinzipien des WingTsun (Nachgeben, Aufnehmen der gegnerischen Kraft, keine Kraft gegen die überlegene Kraft des Gegners einsetzen, WuWei, usw.) sowie deren Manifestationen (die ChiSao-Verformungen, passive Wendung, usw.) lassen noch deutliche erkennen, welche Philosophie beim Ursprung des WT-Systems Pate gestanden hat.
Der Taoismus gibt seinem Anhänger Ratschläge für das tägliche Leben und lehrt ihn, wie man seine Lebensenergien frei macht und störungsfrei zirkulieren lässt, wie man seine Ziele gegenüber Störungsversuchen von Gegnern erfolgreich erreicht, wie man seine körperlichen und geistigen Kräfte gesund erhält und stärkt. Der Taoismus – richtig verstanden und praktiziert – ist eine faszinierende und praktische Lebensphilosophie.
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Der Konfuzianismus
Konfuzius (551 v. Chr. geboren) ist sicherlich einer der einflussreichsten chinesischen Denker und Philosophen.
Das Ideal des Konfuzianismus: Der Weise zeichnet sich aus durch Selbstdisziplin, sittlichen Ernst, Verantwortungsgefühl und Ehrlichkeit gegenüber den Mitmenschen. Obwohl er finanziellen Wohlstand und soziale Stellung erstrebt, macht er sich nicht von diesen Dingen abhängig, sondern ist stets bereit, sie aufzugeben, wenn es seine moralischen Grundsätze erfordern.
Im Mittelpunkt des konfuzianischen Denkens steht der Mensch. Konfuzius glaubte, dass es sehr wichtig sei, durch Vermehrung und Verbesserung des öffentlichen Unterrichtes den Charakter des Menschen und damit des Volkes zu bilden und dadurch den Staat und die Gesellschaft zu stärken und zu sichern. Das gute Vorbild des Lehrers soll den Schüler leiten. Der Weise unterrichtet sich selbst (autodidaktisch), um als Beispiel für die anderen zu dienen.
Jeder respektiert den anderen: Großen Wert legte Konfuzius darauf, dass der Jüngere, Untergebene dem Älteren, Vorgesetzten Respekt und Achtung entgegenbringt. So entspricht der Güte des Königs die Treue des Untertanen, der Liebe des Vaters die des Sohnes, die Zuwendung des Älteren der Dankbarkeit und Ehrfurcht des Jüngeren.
Diese Wechselwirkung wird auch auf dem Gebiet des Kung-Fu deutlich. Etwas im klassischen Verhältnis von SiFu – ToDai oder SiHing – SiDai. Es wird hier also nicht blinder Kadavergehorsam gefordert, sondern jeder akzeptiert seine Rolle und respektiert den anderen in seiner zum gemeinsamen Nutzen.
Die Gefahren des falsch verstandenen Konfuzianismus liegen auf der Hand. Während der Taoist sich vor Schlitzohrigkeit hüten muss und der Buddhist vor Weltflucht, muss der Konfuzianist eitle Selbstgefälligkeit und unreflektierte konservative Einstellung bekämpfen, wenn er sie bei sich selbst entdeckt.
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